Theresa Steffestun

reflect | innovate | transform

Institutionen stellen den Rahmen unseres Denkens und Handelns. Institutionen verändern heißt, unser Denken und Handeln ändern, heißt Institutionen verändern. Institutionen – ihr Verständnis und ihre Gestaltung – spielen eine Schlüsselrolle in einer gesellschaftlichen Transformation.

INTRO

Die Veränderung bestehender sowie die Gründung und der Aufbau neuer Institutionen sind seit Beginn meines Engagements für eine Veränderung der Wirtschaftswissenschaften und der ökonomischen Bildung ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Form und Inhalt von Wissenschaft, geschweige denn von Bildung, lassen sich nicht trennen.

Es macht einen Unterschied, wie z.B. die Studienordnungen, das Hochschulgesetz, die Akkreditierungsbestimmungen, die Personalpolitik, die Forschungsfinanzierung gestaltet sind und welche Bilder von Wissenschaft, Forschenden und Studierenden dem zugrunde liegen. Ich durfte die Erfahrung großer Gestaltungsspielräume in der Transformation dieser Institutionen machen und arbeite weiterhin an ihrer Verstetigung und Ausweitung.

 

Pluralismus in der Wissenschaft ist nicht nur eine Frage der Ideen-, Theorien- und Methodenvielfalt. Der History of Economics Diversity Caucus setzt sich für eine Vielfalt der biographischen Hintergründe, Perspektiven und Standorte von Wissenschaftler:innen im Feld der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften ein.

Wir engagieren uns dafür, dass in den Fachkonferenzen, Review- und Besetzungsverfahren in unserem Feld die Teilhabe von bisher unterrepräsentierten Gruppen, wie Kolleg:innen aus dem globalen Süden, people of color oder Menschen mit Kindern am wissenschaftlichen Diskurs strukturell gefördert wird. Nicht nur sind ihre Forschungsansätze für die Disziplin unersetzlich. Es ist Ausdruck epistemischer Gerechtigkeit, dass diese Perspektiven ebenfalls im Diskurs vertreten sind und sein können. Auch hier geht es neben Aufklärungsarbeit, um die Entwicklung konstruktiver Lösungsansätze und die Bereitstellung von Ressourcen, wie best-practice Beispielen und Leitfäden im Austausch mit unseren Kolleg:innen in Verantwortungspositionen.

Die GSÖBW verknüpft in einzigartiger Weise Forschung und Lehre im Feld der Sozioökonomie. Zu oft werden, gerade auch bei Reformbemühungen, diese beiden Facetten unserer Disziplin nicht zusammen gedacht. So finden bisher beispielsweise die Fortschritte in der ökonomischen Forschung kaum Eingang in die kanonisierten Lehrbücher. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl von innovativen didaktischen Ansätzen und pädagogischen Visionen, wie ökonomische Bildung an Schulen, wie Hochschulen jenseits der frontalen Wissensreproduktion gestaltet werden kann.

Ich setze mich seit 2018 (von 2018 – 2022 als Mitglied des Vorstands der GSÖBW) für eine produktive Synergie innovativer ökonomischer Didaktik und Forschung, die von einer kritischen Haltung, Multiperspektivität und Lebensweltorientierung geprägt ist, ein. Für diese Synergieeffekte steht ganz besonders die Sektion Neue Hochschullehre, die wir 2019 gegründet haben. Mit ihren regelmäßigen Treffen fördert sie den Austausch der Lehrenden, die neue Wege der ökonomischen Hochschullehre gehen (wollen) und versammelt in bereits zwei Publikationen best-practice Beispiele, die so operationalisiert sind, dass sie leicht multipliziert werden können.

Durch meine Mitwirkung an Gründung und Aufbau der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (CHG) habe ich gelernt, was eine Institution und die Institution Universität in all ihren Facetten – rechtlich, finanziell, organisatorisch, didaktisch, pädagogisch, ethisch, menschlich – bedeutet.

Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass ich seit 2013 in nahezu allen Bereichen der Hochschule tätig war: Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit, Studierendengewinnung, Studiengangskoordination, Mitglied im Senat, in Berufungs- und Findungskommissionen, einmal Teilnahme an, einmal Co-Leitung von einer Studiengangsakkreditierung, Studiengangskonzeption, Mitbegründerin des Studierendenvereins und seines Stipendiensystems, Alumniarbeit, Lehrende, Forschende und zuletzt Forschungskoordination.

Ich begreife die Gründung und den Aufbau dieser Institution als einen transformativen Akt: das Problembewusstsein eines Bedarfs, die Vision einer Lösung, die Umsetzung in Auseinandersetzung mit vermeintlichen und echten juristischen, mentalen oder ökonomischen Grenzen und die Verstetigung der Innovation hin zur Institution. Die ermutigende Erfahrung dieser Arbeit ist, dass oft vielmehr möglich ist, als man meint und wie viele Ansatzpunkte und Allianzen es für strukturelle Veränderung in der Landschaft akademischer Institutionen es gibt.

 

Die Geschichte des Netzwerks ist eine Erfolgsgeschichte der Institutionalisierung ehrenamtlichen Engagements. Wir haben das Netzwerk 2012 als Nachfolgeorganisation des AK Real World Economics ins Leben gerufen, um den vereinzelten studentischen Aktivitäten im Einsatz für mehr Multiperspektivität und Reflexivität in den Wirtschaftswissenschaften ein juristisches Dach zu geben. Auch hier war ich wieder am Aufbau des Vereins beteiligt: im Team Finanzen, als Vorstand, als Mitdesignerin der Kampagne PluraloWatch aus der die Plattform Exploring Economics entstanden ist.

Auch hier ging es uns wieder um die konstruktive Begegnung mit Leerstellen, die uns selbst als Ökonomiestudierende betrafen. Dies reichte von Konferenzen, wie der ersten pluralistischen Ergänzungsveranstaltung und medienwirksame Aufrufe zur Veränderung der VWL, über Lesekreise, studentische Vernetzung hin zur Konzeption und Durchführung eigener Lehrveranstaltungen, sowie den Einsatz für dessen Integration in bereits vorhandene Studiengänge.

Heute ist das Netzwerk als Anlaufstelle für betroffene Studierende, die sich über ihr Problembewusstsein und ihre Lösungsansätze im Feld der ökonomischen Bildung mit anderen austauschen wollen, als Multiplikator für best-practice Beispiele und als Anbieter von Lehrveranstaltungen und Lehrmaterialien nicht mehr wegzudenken. Man könnte auch sagen, das Netzwerk ist eine Institution.

Die Gründung des Arbeitskreises 2012 ist für mich ein weiterer Prototyp für Selbstorganisation, Transformation und Institutionalisierung. Meine Erfahrung teilen dabei so viele andere Ökonomiestudierende leider bis heute. Nach dem anfänglichen Zauber des ersten Semesters stellt man im zweiten Semester fest, dass viele der eigenen Interessen und Anliegen, dort keinen Platz haben. Man hat den Eindruck, selbst das Problem zu sein. Diejenigen, die sich mit dem Studium nicht arrangieren, den Studiengang wechseln oder ganz den akademischen Weg verlassen, tauschen sich mit anderen aus und identifizieren strukturelle Probleme.

Gemeinsam mit Kommiliton:innen habe ich dann die ökonomische Bildung organisiert, die wir suchten: an realweltlichen Phänomenen orientiert, kritisch, multiperspektiv, historisch und wissenschaftstheoretisch fundiert, ethisch reflektiert und innovativ. Wir organisierten Lesekreise und Ringveranstaltungen, wie etwa zum Neoliberalismus.

Um diese informellen Formate mehr Studierenden zugänglich zu machen, gründeten wir den Arbeitskreis Plurale Ökonomik, der vom Studierendenparlament anerkannt war, daher Zugang zu finanziellen Mitteln und der Hochschulpolitik hatte. Mit dem AK als Ansprechpartner konnte die Anrechnung der von uns organisierten Lehrveranstaltungen leichter umgesetzt werden und auch die Vernetzung mit anderen studentischen Arbeitskreisen in Deutschland und auf der internationalen Bühne war leichter umsetzbar. Den Arbeitskreis gibt es heute noch.